Gastfreundschaft

Die Residenzorte

Bevor die ersten Töne gemeinsam geformt werden konnten, brauchte dieses Projekt Orte, die mehr sind als Kulisse. Räume, die etwas in den Musikern auslösen – nicht durch Programm oder Anspruch, sondern durch Atmosphäre. Zwei solcher Orte fanden sich: Heek und Schwalenberg. Jeder von ihnen wirkte auf seine Weise, nicht als Gegenpole, sondern als zwei unterschiedliche Lichtquellen, unter denen das Material anders schimmerte.

Heek trug eine Stille in sich, die nicht abschirmte, sondern sammelte. Die Landesmusikakademie bot keine Abgeschiedenheit im romantischen Sinn, sondern eine Klarheit, die das Arbeiten erleichterte. Die Musiker der ersten Jumelage-Formation – Alberto Arteta, Claudio Vignali, Ugonna Okegwo, Romy Camerun und ich selbst – fanden hier einen Klang, der sich aus Konzentration speiste: lyrisch, transparent, bewusst geführt. Die Ruhe des Ortes setzte sich in der Musik fort, nicht als Zurückhaltung, sondern als feine Kontrolle der Linien. Doch ebenso wichtig waren die Wege, die wir gemeinsam gingen: der Besuch im Glockenmuseum, die Gespräche in Restaurants, Begegnungen mit Menschen in Enschede, die Ugonnas Verbindung zu seiner „Scholle“ aufnahmen und spiegelten. All dies floss ein – kaum hörbar, aber spürbar – in eine Musik, die ihren Innenraum weitete.

Von Anfang an war mir wichtig, dass die Arbeit nicht in den Mauern der Akademie endet. Wir nahmen uns bewusst Zeit, die Umgebung zu sehen, gemeinsam oder jeder für sich. Es gab keine strikten Arbeitszeiten, und doch arbeiteten wir täglich viele Stunden bis in den Abend hinein – getragen von einer Atmosphäre, die Anstrengung und Freiheit zugleich zuließ. In Gescher besuchten wir das Glockenmuseum, in Enschede und Münster ließen wir uns Zeit, die Orte zu erleben. Für unsere Gäste waren diese Eindrücke nachhaltig: Das Münsterland erwies sich als eine Landschaft, die man nicht nur bereisen, sondern erleben kann.

Schwalenberg wirkte anders – nicht lauter, nicht bunter, sondern offener. Das Künstlerhaus, die Fachwerkhöfe, die Hänge, das Licht über dem Tal: all das schuf eine weichere Kontur, in der die zweite Jumelage-Band – Kristina Fuchs, Noé Clerc, Fabrice Alleman und Theo de Jong – ihren ganz eigenen Ton fand. Hier entstanden Linien, die sich freier bewegten, beeinflusst von Pat Methenys Weite und von kleinen Fusion-Pulsen, die das Material atmen ließen. Wir waren in vielen Häusern zu Gast: im Pohlhof mit seiner hervorragenden Küche und seinen Weinen, im Berggarten, im Malkasten-Hotel. Die Wanderungen durch die Landschaft, die fast mediterrane Wärme einzelner Tage, die Offenheit der Menschen – all das schuf einen Resonanzboden, der die Musik nicht festhielt, sondern ausbreitete.

So waren Heek und Schwalenberg keine Gegensätze und keine Funktionsräume. Sie waren zwei Orte, die ihre Wirkungen nicht erzwangen, sondern anboten. Zwei Atmosphären, die den Musikern erlaubten, unterschiedlich zu hören, unterschiedlich zu spielen, unterschiedlich zu riskieren. Und in dieser Vielfalt wuchs die Erkenntnis: Die Residenzorte sind nicht Bühnen, sondern Teil des Werkes. Sie geben der Musik jene Farbe, die man nicht komponieren kann – nur finden.