Reisen und Begegnungen
Auf der Suche nach Verbündeten
Am Anfang steht kein fertiges Thema, sondern eine Frage, die sich wie ein leiser Nachklang aus der Ouvertüre löst: Wenn die alten Linien befreit werden wollen, wer sind jene, die ihnen neues Leben geben können, ohne ihre Herkunft zu verwischen? Die Suche beginnt nicht mit einem großen Gestus, sondern mit einem vorsichtigen Tasten im Netz der Möglichkeiten. Ich folge Spuren, höre hinein in Klangproben, in Gesprächsfetzen, in Biografien, die wie unerhörte Partituren darauf warten, angespielt zu werden.








Doch bald zeigt sich: Diese Suche bleibt unvollständig, solange sie nur digital bleibt. Musik ist eine Kunst der Atemräume, und der Bildschirm hält den Atem zu flach. Also beginnt eine Reihe von Reisen – fünf Stationen, fünf Resonanzräume:
Prag, Paris, Pamplona, Bologna und Utrecht.
Jede Stadt ein eigenes Register, jeder Besuch ein Versuch, die Schwingungen eines Menschen zu hören, bevor er spielt. Ich wollte sie nicht nur treffen, sondern erleben: ihren Puls, ihre Stille, ihre Art, in einen Raum hineinzugehen. Vor allem aber wollte ich mit ihnen musizieren, denn erst im Zusammenspiel zeigt sich, ob jemand ein Motiv trägt oder es lediglich reproduziert.
Insgesamt begegnete ich etwa fünfunddreißig Musikerinnen und Musikern. Manche Gespräche verliefen freundlich, doch ohne Nachhall; andere Begegnungen öffneten sofort ein gemeinsames Intervall, als hätte die Musik längst entschieden. Und je weiter diese Suche voranschritt, desto klarer wurde, dass reine Virtuosität keine Garantie bietet. Ein gutes Ensemble entsteht nicht durch Fertigkeiten allein, sondern durch jene schwer fassbaren menschlichen Faktoren, die sich erst im direkten Miteinander offenbaren: die Fähigkeit, zuzuhören, ohne zu warten; das Talent, Raum zu lassen, ohne sich zu verlieren; die Bereitschaft, flexibel zu bleiben und zugleich eine Haltung zu haben. Wer miteinander arbeiten will, muss nicht nur kompatibel sein, sondern eine Form von Respekt mitbringen, die nicht höflich bleibt, sondern kreativ wird – eine Klarheit, die nicht trennt, sondern bündelt, und einen Schaffenswillen, der andere nicht verdrängt, sondern mitnimmt.
So zeigte sich früh, dass einige großartige Musiker dennoch nicht in diese besondere Architektur passten. Andere hingegen – Alberto, Claudio und Theo – öffneten schon im ersten gemeinsamen Moment einen inneren Raum, in dem Musik nicht erklärt, sondern erlebt wird. Ihre Präsenz verband Präzision mit Wärme, ihre Spielhaltung vereinte Offenheit mit Entschlossenheit. In solchen Begegnungen entsteht kein Ensemble im organisatorischen Sinn, sondern ein Geflecht aus Vertrauen, Neugier und gegenseitiger Resonanz.
Aus vielen Gesprächen, Proben, Rückzügen und erneuten Annäherungen wuchs schließlich jene Konstellation, die nicht nur musikalisch stimmte, sondern menschlich: zwei Gruppen, die bereit waren, gemeinsam zu tragen, statt zu dominieren; sich einzufügen, ohne sich zu verlieren. So entstand aus der Suche eine Formation, die den alten Melodien nicht nur Klang, sondern Haltung schenken kann. Die Reise hat ihren Klang gefunden. Nun dürfen die Melodien atmen.








































Kontakt: Sebastian Netta - Propsteistrasse 46, 48145 Muenster (GE), Phone +49 172 6611572
Email: netta@wuw-konzerte.de
Jazz-Jumelage is part of:



