Resonanzen ...

Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort.

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11/11/20242 min read

Manchmal scheint es, als bewege sich die Welt im Stumpfsinn ihrer alltäglichen Selbstverständlichkeit. Und doch gibt es Momente, in denen das Alltägliche einen Spalt öffnet und wir hindurchsehen können, in eine Sphäre, die von etwas durchdrungen ist, das nicht in Worte zu fassen ist. Genau an dieser Stelle setzen die „Westfälischen Resonanzen“ an, ein Projekt, das versucht, den Herzschlag einer Region, die Sehnsucht einer Landschaft, die Erinnerung eines Volkes in Tönen zu fassen.

Resonanz ist dabei nicht nur ein physikalischer Effekt, nicht bloß das Mitschwingen von Tönen in einem Körper, der zufällig die gleiche Frequenz trifft. Es ist ein tiefes Verständnis, eine Art von geheimnisvollem Einverständnis, das entsteht, wenn Menschen, Instrumente, Landschaften, Erinnerungen in Einklang geraten. Resonanzen sind nichts, was man erzwingen kann; sie sind das Ergebnis einer Suche, einer Geduld, eines Ausharrens.

Joseph von Eichendorff drückt es in seiner wunderbaren Art so aus:

„Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort
und die Welt hebt an zu singen
triffst du nur das Zauberwort.“

Die Musiker der „Westfälischen Resonanzen“ begeben sich auf die Suche nach diesem Zauberwort, das die Welt zum Singen bringt. Dabei geht es nicht nur um das Erspüren der Resonanzen aus der Vergangenheit, sondern auch darum, diese in die moderne Zeit zu transformieren. Die Melodien und Texte, die tief in der Geschichte verwurzelt sind, werden in einen zeitgemäßen Kontext gesetzt, um ihre Kraft und Bedeutung neu erlebbar zu machen. Es ist eine Reise durch die Landschaften Westfalens, durch ihre Geschichten und durch die eigenen Erinnerungen. Die Töne, die dabei entstehen, sind wie ein Echo der Natur, das durch die stillen Wälder, über die sanften Hügel und durch die Städte zieht. Sie rufen Bilder hervor, von nebligen Mühlen, von langsamen Bächen, von Menschen, die in alten Häusern Geschichten erzählen. Es ist das Lied, das in allen Dingen schläft – eine Melodie, die nicht vergeht, weil sie so tief im kollektiven Bewusstsein verwurzelt ist.

Die Resonanz – sie ist der stille Herzschlag jedes Musikprojekts, das mehr will als bloße Unterhaltung sein. Im „Jazz-Jumelage“ der Westfälischen Resonanzen findet die Suche nach diesen Schwingungen ihre geheimnisvolle Vollendung. Denn hier geht es nicht nur um die Wiedergabe von Noten, sondern um das Erspüren eines Liedes, das vielleicht schon immer existierte, lange bevor der Mensch begann, Melodien zu formen. Die Musiker werden zu einer Art Medium, durch das die Melodie erst wirklich wird, sie lassen sich ein auf die Ungewissheit, auf das Unkontrollierbare, auf das Zauberische.

Ein Bild bleibt hängen: Der Gitarrist, der in einem winzigen Moment des Schweigens seine Finger auf die Saiten legt und mit einem sanften Anschlag eine ganze Welt zum Klingen bringt. Es ist, als hätte er das Zauberwort gefunden, das die Welt für einen winzigen Augenblick zum Singen bringt. Der Raum vibriert, die Luft scheint zu atmen, und das Publikum spürt, dass hier etwas geschieht, das nicht bloß gehört, sondern erlebt werden will. Das ist die Resonanz, die entsteht, wenn Menschen Musik nicht nur hören, sondern in ihr leben.

Eichendorffs Worte schweben wie eine unsichtbare Wünschelrute über dem ganzen Projekt: Das Lied schläft in allen Dingen. Es ist die Aufgabe der Musiker, es zu wecken, es zu finden, und vielleicht wird die Welt dann tatsächlich anheben zu singen, nur für einen Moment. Ein Moment, der uns daran erinnert, warum wir Musik brauchen – als Medium, das in uns all jene Resonanzen zum Schwingen bringt, die im Alltag viel zu oft verstummen.

Eichendorff, gesprochen von Fritz Stavenhagen: www.deutschelyrik.de